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GC Rugby | 22.11.2019

SERIE GC LEGENDEN | EIN LEBEN (NICHT NUR) FÜR DAS RUGBY-SPIEL

John Gysin ist mit seinen 84 Jahren ältestes Mitglied der GC Sektion Rugby, vormals Zürcher Rugby Club, den er 1968 mitbegründet hat und ihn später auch präsidierte. John Gysin war massgebend an der Entwicklung des Frauen Rugby in der Schweiz beteiligt, nach ihm ist auch die Trophy „Most Improved Player Ladies“ benannt. Bis zum heutigen Tag frönt er seinem geliebten Rugby-Sport, als Aktiver und als Funktionär, so auch zuletzt beim Grasshopper Club Zürich. Und noch heute steht der rüstige Pensionär der GC Sektion Rugby für Einsätze als Volunteer an den verschiedensten Anlässen zur Verfügung.

„Ich - eine Legende? Ich weiss nicht, ich war noch nie eine, muss jetzt erst erleben, wie sich das anfühlt. Geehrt fühle ich mich auf jeden Fall.“ Das die Antwort des John Gysin, ein britischer Sportsmann und Gentleman wie gemalt. Zum vereinbarten Gespräch kam er in einem langen Mantel und einer Deerstalker-Mütze und erinnerte an die 1886 vom britischen Schriftsteller Arthur Conan Doyle geschaffene Kunstfigur, den findigen Privat-Detektiv Sherlock Holms. John Gysin gibt sich, obwohl seit 1956 ausserhalb der Insel wohnend, noch immer very british, was sich nicht nur auf seinen sympathischen englischen Akzent bezieht.

John Gysin kam als Achtjähriger in seiner englischen Heimat zum Rugby, einer Sportart, die ihren Ursprung im Fussball hatte. Der Legende nach nahm 1823 in der mittelenglischen Kleinstadt Rugby in einem Fussballspiel in der Hitze des Gefechts den Ball in die Hände und trug ihn über die Torlinie. Dafür wurde der Schüler vom Lehrer zwar getadelt, doch der Jüngling hatte, wie heute noch auf einer Erinnerungstafel zu lesen ist, ganz unfreiwillig „das charakteristische Merkmal des Rugbyspiels geschaffen“.

Nachdem er seinen Militärdienst bei der Royal Air Force absolviert hatte, verliess John Gysin als 21-Jähriger seine Heimat auf den Britischen Inseln, um auf dem Festland sich beruflich und sportlich zu verwirklichen, zu einer Zeit, da starke Ressentiments zwischen dem englischen und dem deutschen Volk bestanden, zu präsent waren noch die schlimmen Ereignisse des Zweiten Weltkrieges. Er war vor allem zum Erlernen der deutschen Sprache an die Alster gekommen. In dieser Zeit arbeitete er als Volontär in einer Fabrik am Hamburger Hafen, als einer der wenigen Ausländer unter Arbeitskollegen, von den nur wenige englisch sprachen. Deshalb hat er rasch Fortschritte in der deutschen Sprache erzielt. Wohl auch, weil er schon nach wenigen Wochen im St. Pauli Rugby Club aufgenommen wurde und mit diesem grosse Erfolge feierte. Schon kurz nach seinem Eintritt genoss er einen Sonderstatus: Für ein Spiel im deutschen Rugby Pokal wurde er nach Berlin geflogen. Weil 1956 Staatsbürger der westlichen Aliierten nicht ohne Visum durch die DDR reisen durften, konnte John Gysin nicht mit dem Team reisen... Nach zwei Jahren kehrte er Für einige Zeit auf die Insel zurück, um später wieder in Hamburg zu arbeiten, in der Filiale einer englischen Fabrik. 1962 dann wurde er vom Britischen Konsulat in Hamburg für die Handelsdienste der Britischen Botschaft in Bonn rekrutiert, womit eine 35 Jahre dauernde Karriere im Diplomatischen Dienst ihren Anfang nahm.

In Bonn, der damaligen Hauptstadt Deutschlands, fühlte er sich wohl, einzig seinem Lieblingssport konnte er in Ermangelung eines Rugby-Clubs nicht nachgehen. So griff er zur Selbsthilfe und gründete einen, zusammen mit einem Freund. Später wurde er in die Schweiz versetzt, nach Bern. Hier sollte sich das gleiche Prozedere wiederholen, allerdings hinderte ihn die Berufung  (1991) nach Zürich ans Britische Generalkonsulat (zuständig für Handelsbeziehungen) daran, an seiner Stelle sprang aber ein südafrikanischer Freund ein und führte das Vorhaben, die Gründung eines Rugby-Clubs aus.

In Zürich war der Boden für John Gysin bestellt, an der Limmat gab‘s bereits den Rugby Club Zürich, dem er sich sofort anschloss und bestens aufgenommen wurde. Nur drei Jahre später wurde er, zusammen mit sieben Rugby-Kollegen eines der Gründungsmitglieder der GC Sektion Squash, der zweiten Sportart, die ihn begeisterte, daneben spielte er auch Tennis und Cricket. John Gysin war aktives Mitglied sowohl in der GC Sektion Squash, als auch im Rugby, als Spieler und Trainer der Nachwuchsspieler. Später bestritt er mit den Veteranen ungezählte Turniere. Von 1977 bis 1983 war er Präsident und 2008 massgeblich an der Integration des Rugby Club Zürich in den Grasshopper Club Zürich beteiligt.

„Ich bin sehr glücklich, dass ich bis ins hohe Alter meinem Lieblingssport frönen konnte und mich auch noch heute gut fühle“, betont 84-Jährige und führt auch mit etwas Stolz an, dass er noch 2010 an der GC Olympiade aktiv teilgenommen und im Unihockey, in einer für ihn bis dahin fast unbekannten Sportart, ein Tor erzielen konnte. „Dieser alte Knacker, werden sich die Kollegen gedacht haben“, schmunzelt John Gysin, lässt sich in den Mantel helfen, setzt seine Deerstalker-Mütze auf und begibt sich zu einer Cocktailpartie einer schweizerisch-englischen Gesellschaft.

Eugen Desiderato

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