MenuSuche
GC Fussball | 25.06.2021

EINMAL MEISTER, EINMAL NATI-SPIELER, ZWEIMAL CUPSIEGER

Als Riesentalent galt Giorgio Contini (47) nie. Vielleicht wurde er auch immer wieder unterschätzt. Aber er machte doch etwas aus seiner Karriere – zuerst als Spieler, nun als Trainer.

Für die Grasshoppers gespielt hat der Winterthurer Giorgio Contini nie. Dafür war der Sohn eines Italieners und einer Italienerin, der sich erst in der Schweiz kennengelernt hatten, womöglich zu wenig talentiert, denn GC war in den Jahren seiner Nationalliga-Zeit die bedeutendste Grösse im Lande. Aber einmal – so kann man es sagen – spuckte er den Zürchern in die Suppe: Das war in der Saison 1999/2000, als der FC St. Gallen mit Topskorer Charles Amoah, mit Contini oft als dessen Assistenten und Trainer Marcel Koller, unter GC-Liebhabern bestens bekannt, völlig überraschend Schweizer Meister wurde – deutlich vor den Zürchern mit dem Trainer Roy Hodgson. Nur in gut der Hälfte der Ligaspiele begann Contini, immer wieder kam er als Joker, und eines seiner immerhin acht Tore jener Saison erzielte er gegen GC. 1:0 führten die Zürcher im Espenmoos, dann glich Contini aus und schoss Amoah kurz vor Schluss das Siegestor.

Nationalliga-A-Stürmer war Contini nur in den fünf Jahren in St. Gallen, von 1996 bis 2001, und in der Saison darauf in Luzern. Seine ersten und seine letzten Schritte als Spieler in der Nationalliga machte er beim FC Winterthur, dem Klub jener Stadt, in der sich Ältere noch an einen Boxer namens Contini erinnern. Das war Giorgios Vater, in den70er Jahren mal Schweizer Meister im Mittelgewicht.

Mit Jogi Löw nach Frauenfeld

Von 1992 bis 1994 spielte Contini junior, dem das Boxen nicht lag, für den FCW in der Nationalliga B. Da lernte er als knapp 20-Jähriger einen wesentlich älteren Mitspieler kennen, an dessen „mitmenschliche Art“ er sich noch heute erinnert: Joachim, den meisten als „Jogi“ bekannt, war das. Mit einem 1:0 in der letzten Runde 1994 gegen den FC Gossau mit Spielertrainer Roger Hegi rettete sich der FCW des Trainers Gabet Chapuisat vor dem Abstieg. Löw verliess den Verein danach, begann beim FC Frauenfeld in der 1. Liga seine Karriere als Trainer und nahm den für diese Liga gewiss tauglichen Nachwuchsstürmer Contini mit. Der traf oft, wie ein Jahr später in der Challenge League für Baden. Es kam der FC St. Gallen, für den der 1,75 m kleine Angreifer in rund 150 Pflichtspielen 29 Tore schiessen sollte.

Nati-Einsatz gegen Polen

Ein paar Monate nach dem Meistertitel wollten ihn die St. Galler zwar – im Tausch mit dem jungen Alex Frei – nach Luzern abschieben. Aber Contini machte nicht mit, weil er als Letzter vom geplanten Deal erfahren hatte. Also blieb er noch ein halbes Jahr – und in jener Zeit erhielt er gar ein Aufgebot für die „Nati“. Enzo Trossero schickte es, der aus St. Gallen schliesslich auch einen andern Winterthurer, Marc Zellweger, in seine Auswahl geholt hatte. Wirklicher Nationalspieler war Contini allerdings nie. Er verdankte das Aufgebot für die Reise zu einem Test gegen Polen auf Zypern auch diversen Absenzen. Aber er stand in der Startelf, bis er Mitte zweiter Halbzeit gegen Hakan Yakin ausgetauscht wurde. Die Schweiz spielte schwach und verlor 0:4, Continis Länderspiel-Karriere war vorbei.

Er hatte dann auch Pech in Luzern, denn der Verein ging Konkurs, Contini musste stempeln gehen. Die Karriere liess er von 2003 bis 2005 beim FCW ausklingen, als spielender Assistent des Trainers Matthias Walther. In Oberwinterthur begann er dann seine Karriere als Trainer, später kam er bei St. Gallens Nachwuchs unter oder war er froh, dass ihn Murat Yakin zum Assistenten in Luzern machte. Nach einer grösseren Trainerkarriere sah es da nicht aus.

Die Chance dafür erhielt er erst in Vaduz. Die Liechtensteiner führte er mit solider Arbeit in die Super League und hielt sie zwei Jahre dort, bevor er kurz vor Ende der dritten in der Elite gehen musste. Wenig später wurde er Chef in St. Gallen. Aber er geriet mitten in Wirren um den Führungswechsel und musste nach knapp einem Jahr gehen. Lausanne bot ihm die nächste Chance. Im zweiten Anlauf, also innerhalb des Zeitplans, schaffte er den Aufstieg in die Super League; im dritten Jahr führte er den Aufsteiger auf Platz 6.

Stets Ruhe bewahrt

Es war immer wieder erstaunlich, mit welcher Selbstsicherheit und Kühle er sein Ziel anpeilte und schliesslich erreichte. Es war ja nicht einfach, unter der neuen Führung des Grosskonzerns „Ineos“ immer die Ruhe zu bewahren. Aber er tat es, obwohl er sich – je länger er am Werk war desto mehr – manchmal eher wie ein U21-Trainer vorkommen musste, der einfach mit jenen Spielern arbeitete, die ihm der Besitzer und damit der grosse Partnerklub Nice zur Ausbildung schickte. Die Spieler kamen und gingen, wichtige wie Topskorer Aldin Turkes fielen verletzt aus – aber Contini ging unbeeindruckt seines Weges und erreichte schliesslich auch sein zweites Ziel fristgerecht, nach dem Aufstieg den Klassenerhalt.

Der Verein erneuerte den Vertrag dennoch nicht. Sportchef Cissé zeigte sich zwar absolut zufrieden mit des Trainers Arbeit. Aber er sagte auch, man wolle nun eine neue Ära anbrechen lassen. Contini jammerte nicht, er wusste, seine Arbeit erfüllt zu haben. Und es war ja auch so, dass seine Arbeit sehr wohl erkannt wurde. Also erhielt er auch einen namhaften neuen Arbeitgeber – als Trainer, der zumindest in Vaduz und Lausanne längerfristig Dauer gut gearbeitet hatte. Der zur Persönlichkeit geworden war, die keine Empfindlichkeiten zeigte, mit Kritik und Unruhen geradezu souverän fertig wird. Der den oft unangenehmen Eigenheiten des Geschäfts einfach gewachsen ist.

Dass sich Contini wegen seines Auftritts gegen Polen für immer Nationalspieler nennen kann, beeindruckt ihn selbst nicht. Dass er in St. Gallen stets als einer der raren Meisterspieler in Erinnerung bleiben wird, ist gewiss eine Genugtuung. Und dass er in Vaduz und Lausanne den Aufstieg und Klassenerhalt schaffte – das ist für die Einstufung Giorgio Continis als Trainer das wichtigste. Und erfreulich ist auch, dass er nun wieder näher bei seiner Familie mit Wohnsitz im St. Gallischen ist.

Hansjörg Schifferli

Mitglied werden!